Bildorganismen

 

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Der Begriff „Bildorganismen“ leitet sich ab von meiner durch Gentechnik inspirierten Praxis, analytisch mit Bildern zu arbeiten. Ich bezeichne damit eine seit 2010 immer weiter wachsende, interdisziplinäre Collage aus Objekten, Zeichnungen und Gedanken,
bei der in Analogie zu wissenschaftlicher Methodik Ergebnisse konkret aufeinander aufbauen. Das gedanklich-visuelle Wissensgebilde ist unterteilt in Bereiche mit unterschiedlichen, auseinander hervorgehenden Fragestellungen. Bilder fungieren hier stets als Modelle: es sind Objekte, die ich auf mehreren Ebenen parallel denke und bearbeite. Dabei unterscheide ich ihr „Inneres“, die Einheiten, aus denen sie zusammengesetzt sind, und ihr „Äußeres“, das Bild als Ganzes. Indem hintergründige Einheiten das Aussehen eines Bildes in seiner Gesamterscheinung definieren, lässt sich das Konzept eines Bildes analog zum Konzept eines Genoms denken: im Genom, so der Grundgedanke, sind die Informationen über einen Körper gespeichert und bestimmen seine Ausformung. Ich denke hier die Ebenen von Genom und Einheiten bzw. Körper und Bild zusammen und finde in dieser „Doppelbelichtung“ meine Ideen und Schlussfolgerungen für die nächsten Schritte.

Die leitende Fragestellung in „Wurmbibliothek“ ist, wie sich durch Veränderung einer Einheit im Bild der gesamte Bildkörper so verändern lässt, dass eine bestimmte Eigenschaft in den Vordergrund rückt. Aus diesen Eigenschaften soll eine Datenbank so gestaltet werden, dass sich daraus neue Einsatzmöglichkeiten ergeben. Es geht darum, die Bild - Genom - Analogie so zu durchdringen, dass die Struktur des realen, biologische Projekts "library of worms" in den Bildzusammenhängen ausgedrückt werden kann. Mit "Wurmbibliothek" findet dazu die Entwicklung der Bezugsysteme für das gesamte Projekt "Bildorganismen" statt: Verhältnisse von Bildmotiv und Datenmasse, von zufälligen Ergebnissen und Analysemöglichkeiten im Bild, Dynamik von Reproduktion... Es ist sozusagen die Grundlagenforschung und beinhaltet daher Irrwege genauso wie tatsächlich weiterführende Ergebnisse.

„Farbwurmpopulation“ ist eine Serie von Collagen, die Material zusammenführt und aus den bisherigen Ergebnissen Wurmkörper konstruiert. Zur kontrollierten Konstruiertheit kommt hier die prozessbedingte Ungenauigkeit und integriert das Konzept der Epigenetik in die Analogie: Bei der Verwirklichung des Codes wirken Umwelteinflüsse auf die individuelle Ausformung ein.

Mit „Wurm 83“ ist dann ein Bildkörper generiert worden, der auch aus klar definierten Einheiten besteht, die aber nicht länger rechtwinklig oder quadratisch sind, sondern Formen haben, die dem natürlichen Aussehen von Wurmoberflächen entsprechen. Der existentielle Prozess von Wahrnehmung bei der Umsetzung generierte neuartige Fragestellungen und löste verschiedene Bearbeitungslinien aus:

„Innere Welt Wurm“ begreift den visuellen Charakter der entstandenen Formen als neue Fragestellung und rückt ihre unmittelbare Erscheinung in den Vordergrund. In „Wurm - Foto - Ich“ nehme ich diese Fragestellung auf und versuche die Faktoren, die das Aussehen des Bildes (Wurm 83) bestimmt haben bis in die Tiefe der Physik zu begreifen. „Population 83“ experimentiert mit dem "Code der Wurmform" und generiert experimentelle Versionen des Bildkörpers „Wurm 83“. „Kern der Farben“ und "Die Farben eines Regenwurms im Verhältnis zum Mensch" dringen darüber hinaus in die mathematische Beschaffenheit der Farbmischungen ein und machen spezifische Eigenschaften sichtbar. (In Arbeit.)

Das ganze Projekt geht zurück auf ein Gespräch mit der Molekularbiologin Eva Zeiser in 2010, die zum damaligen Zeitpunkt an der Universität Cambridge mit dem Modellorganismus C. elegans arbeitete und mir dessen biologische Besonderheiten und ihre eigene Faszination gegenüber der Vorgänge in ihrer Arbeit schilderte. Mit der mos1-Methode waren damals Mengen von C-elegans Würmern mit bestimmten, generationsstabilen Markierungen in ihrem genetischen Code versehen worden. In unendlicher Kleinarbeit war dann eine allseits verfügbare Datenbank erstellt worden - in Form von tiefgekühlt gelagerten, durch die Markierung in ihrem Genom unterschiedenen Wurmstämmen. Diese Datenbank steht bzw. stand Forschern als vordefiniertes Material für Experimente zur Verfügung. (Referenz zu mos1 beispielsweise unter www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3275553/)