Million

Zeichnung: Zahlen, Zählen, Zählsysteme / Text: Zahl und Menge / "Million" / Protokoll: empirische Versuche

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drei Auszüge aus dem schriftlichen Protokoll:

2. zu "sprechend Zählen"
Zuerst einmal bis 1535; diese Menge dann in System gelegt (in Reihen zu Hundert), dann von der so ermittelten tatsächlichen Anzahl (1524) weiter linear hochgezählt bis zur Verdopplung dieser (3048). Diese Menge in System gelegt (jetzt in Reihen zu 60). Die tatsächliche Anzahl: 1488. Die Flächen, die sich durch systematisches Auslegen der Mengen ergeben, verraten nicht wie nahe die sie bildenden Anzahlen beieinander liegen. Durch die akustische Aufzeichnung des mündlichen Zählens, hatte ich eine Kontrolle immer dann, wenn ich gemerkt habe, dass ich mich verzählt habe, oder wenn, wie es spätestens alle fünfhundert passiert ist, ich völlig herausgeflogen bin, mich nicht mehr erinnern konnte, in welchem Zehner ich mich gerade befand... So zu zählen, sprechend, mit Sprache entspricht dem Eigentlichen, dem Eigenen des Zählens. Es wird in erster Linie nicht eine Anzahl ermittelt, sondern sich in die Grundlage des Zahlensystems, dessen man sich bedient, begeben. Man macht die Wiederholung mit, bis hin zur nächsten sich wiederholenden Schleife, die die erste integriert, bis hin zur dritten, wo aufs Neue alles bisherige wiederholt und wiederholend integriert wird, und selbst der Einsatz der neuen Schleifen folgt dem gleichen Rhythmus, dem alle Wiederholungen folgen, und wiederholt sich... Allerdings ist die Sprache zu träge, bzw. ist der „Vorspann“ für das Weiterzählen nicht mehr wichtig, er dient nur zur Orientierung, wo ich mich befinde, in welcher Schleife ich gerade stecke. Die Orientierungsangaben verlottern: Es dauert lange bis ich mich von Eintausend zu Zweitausend gezählt habe, und es reicht im Rhythmus mit der Stimme zu wackeln, um den Tausender anzugeben, er ist durch seine relative Beständigkeit „gewusst“, selbst die Hunderter währen so lang, dass ich sie mir nicht ständig in Erinnerung rufen muss, doch die Zehner sind schnell durchzählt, und wenn sie mit in das geschlurfte Sprechen rutschen, kann es passieren, dass sie nicht gewusst sind, ich mich nicht erinnern kann, „wo ich bin“. Mich auf das Sprechen der vollständigen Zahl zu konzentrieren, würde bedeuten, den Bereich, an dem die tatsächlichen Bewegung sich ereignet, aus den Augen/der Konzentration zu verlieren. Das Zählen ab zehn, ist von seiner inneren Struktur her nicht mehr linear, sondern ist systematisch. Wenngleich aber das Zählen an sich, also das, was hinter dem Zählen steht, die Idee des Zählens, systematisch ist, so ist doch das gesprochene Zählen linear: Jeder Stein wird von der einen zur anderen Seite gelegt, - also kurz der Menge entnommen, benannt, und wieder der Menge, - auf der anderen Seite - hinzugefügt. Es gibt nicht eine „Kontrollmöglichkeit“, eine im Nachhinein bestehende Nachvollziehbarkeit des Getanen/Geschehenen – etwas, das das System des Zählens theoretisch eigentlich bietet. Aber der abstrakte Vorgang des Zählens wird rein empirisch begangen: körperlich und zeitlich; integriert im Zeitstrom, sich dem Vergehen der Zeit fügend; nicht reflektiert, nicht angehalten: Das Zählen ist dem Vergehen der Zeit gleichgesetzt. Und mit dem Vergangensein der Zeit ist auch der Moment vergangen, in dem ich einen Stein in der Hand und ein Wort im Mund hatte. Es hinterlässt keine Spuren.




13. zu "systematisches Zählen in Ebenen mit festen Plätzen"
Ein weiterer Aufbau sucht nach integrierender Darstellung der Ebenen und besteht aus vielen Teilbildern, die jedes einen Zählschritt verkörpern. Er beginnt das Zählen auf der Ebene von „nichts“: im ersten Bild ein Stein, zwei im zweiten Bild, drei im dritten, so fort bis sechs – angeordnet wie sechs auf einem Würfel. Der erste Zyklus ist voll. Auf der Ebene dieses ersten vollen Zyklus, beginnt es wieder mit eins: dieses siebte Bild, das erste auf der ersten Ebene, zeigt den vollen Zyklus und darauf einen einzelnen Stein, der an der gleichen Stelle im Muster sitzt, wie die eins im ersten Bild. Im dreizehnten Bild liegen zwei volle Sechser übereinander, und darauf die eins, - an derselben Stelle. Auch die Stelle für den zweiten Stein überträgt sich von Bild zu Bild unverändert. Das heißt, es gibt einen Platz für die Steine, die „eins“ bedeuten, einen für die, die für „zwei“ stehen, für drei, für vier, für fünf; mit dem sechsten Stein aber verschwindet der Eindruck von Anordnung, denn die volle Plattform ist gleichzeitig eine leere, auf der etwas begonnen werden kann. Ich habe eigentlich nicht sehr bewusst, nicht wissend warum, die fünf Steine immer in derselben Ordnung auf die steigenden Ebenen gelegt. Es geschah wohl aus Gewohnheit und einer Art Ordnungssinn, Ordnung gleich Wiedererkennung und Gewohnheit gleich Reduzierung von Entscheidung. Nachdem die sechste Ebene gefüllt ist, und damit der erste Ebenenzyklus geschlossen und die erste Stufe erreicht ist, beginne ich nebendran die nächste Stufe - scheinbar mit einer unabhängigen Eins, nämlich einem einzelnen Stein am üblichen Platz. Aber es ist die erste Eins auf der ersten Stufe. Ich brach das Bild kurz vor Erreichen der zweiten Stufe ab. Hätte ich es weiter vervollständigt, bis zur ersten Schließung des Stufenzyklus, ich hätte die dritte Stufe an dem charakteristischen Platz für drei ausgebreitet. Bemerkenswert ist, dass innerhalb einer Stufe, die Anzahl der Steinchen, die eine Zahl beschreiben, mit dieser übereinstimmt. Wollte man mit diesem System eine einzelne Zahl ausdrücken, böte sich folgende Schreibweise an: angenommen, es geht um die Darstellung einer Anzahl, die im Schema an folgender Stelle liegt: innerhalb des Bereichs, wo sich die zweite Stufe aufbaut, dort in der Reihe, die die zweite Ebene abschließen wird, und zwar dort an vierter Stelle, also mit vier Einzelsteinchen obenauf. Um die Ebene und die Einzelnen wiederzugeben bedarf es keiner weiteren Abstraktion. Ich lege eine volle Ebene und vier Einzelne an ihre Plätze obendrauf. Um zu kennzeichnen, dass ich aber eine Ebene meine, die sich „auf“ der ersten Stufe befindet, also die abgeschlossene, volle ersten Stufe dazugezählt werden muss, lege ich links daneben das letzte Bild des ersten Blocks, mit dem die erste Stufe erreicht wird: sechs volle Ebenen aufeinander. Stelle ich so einzelne „Zahlen“ dar, stelle ich sie wieder immer mit ihrer vollen Anzahl dar. Das ist natürlich nicht sonderlich praktisch.


19. zu "über verschiedene Zählbasen (rück-)interpretierter Ausdruck"
So ein Ausdrucke beinhaltet also den Weg, den ich gegangen bin, und alle Anzahlen, die ich nacheinander ausgezählt habe. Ich habe damit eine Möglichkeit gefunden, Mengen rationalisiert wiederzugeben: nicht durch so viele Einsen, wie auch die auszudrückende Menge beinhalten würde; dazu kann ich eine ganz bestimmte Zahl weisen, ohne ihren Kontext darum herum aufbauen zu müssen. Die Kenntnis vom Dezimalsystem, die Prägung meines ganzen Geistes dadurch, hat es mir gewiss erleichtert dieses System zu erkennen. Ich setze diese Kenntnisse jedoch nicht voraus, versuche sie im Gegenteil auszublenden und empirisch Schlüsse zu ziehen und Idee zu entwickeln. Die Struktur dieses Ausdrucks ist die des dezimalen Systems. Das Nichtvorhandensein von Ziffern erschwert aber die direkte Assoziation. Sehe ich drei Steine, danach fünf und schließlich acht, denke ich nicht automatisch dreihundertachtunfünfzig, wie anders, bei 358. Und erst recht nicht achthundertund dreiundfünfzig. Bemerkenswert nämlich ist, dass sich die Wertgrößen in meinem System ganz in umgekehrter Reihenfolge aufbauen. Das wundert mich...ist es doch so ergonomisch nach rechts auszuzählen... Die Relativierung meines gewohnten Zahlenverständnisses war die ganze Zeit über eine meiner Intentionen. Ich habe andere Basen der Basis Zehn gegenübergestellt, um mich um mein selbstverständliches Verständnis zu bringen. Dabei habe ich unterschiedliche Basen parallel verwendet wie unterschiedliche Sprachen, die zu verschiedenen und doch gleichen Ergebnissen führen. Auch bei dem letzten Bild war das der Fall. Über sechs auszählen, über zehn und gemischt. Die gleiche Anzahl wird behandelt, die Ergebnisse sind gleich und doch verschieden. Bislang habe ich diese „Sprachen“ parallel verwendet, bin in je verschiedenen Bildern gelandet: ein Bild mit zehn als Basis, eins mit sechs.... Die neue Möglichkeit einen Ausdruck für eine Menge aufzustellen, sie zu formulieren, selbst wenn die Menge als solche gar nicht vollständig vorhanden ist, bringt eine neue Beweglichkeit und Geschwindigkeit mit sich. Ich kann über eine nur vorgestellte Menge sprechen. Und dieses abstraktere Niveau lässt eine Verbindung zwischen diesen „Sprachen“ zu. Derselbe Ausdruck beinhaltet verschiedene Mengen, je nach dem wie er interpretiert wird. Der Ausdruck selbst bedeutet immer das gleiche. Durch bestimmen einer Basis wird es zu verschiedenen Mengen interpretiert, gibt er klare Anweisungen wie er zu einer realen Menge aufzufüllen ist. Als Dezimalgeprägte denke ich: drei-hundert, fünf-zig und acht. Ich könnte auch denken ... und jetzt fehlen mir die Worte. Vielleicht kann ich als Mensch auch ohne Worte denken. Bei Zahlen ist das aber schwierig, weil ich ohne ihren Namen gar keine Vorstellung von ihnen habe. Vielleicht würde ein anderes „ich“ sagen: dreidomilfünfsantiacht. Das liest sich jetzt wie eine Art Code, und ich verstehe nichts, kann mir eigentlich nichts darunter vorstellen. Dezimal übersetzt: drei(mal)sechsunddreißig fünf(mal)sechs und acht. Ich bin nicht fähig andere Systeme als das dezimale in Worten auszudrücken. Und obwohl ich mir unter einer Zahl auch keine direkte Menge vorstellen kann, kenne ich mich in meinem gewohnten System aus, kann die Zahlen vermittels ihrer Namen einordnen, verwerten, bewerten. Mir persönlich geht es so, dass ich mir die Zahlen bis zu hundert in einem recht großen Bereich vorstelle, die Zahlen bis tausend in einem anderen, der schrumpft schon nach hinten weg, und um so größer die Zahl wird, um so flacher ist der Bereich zu sehen, in dem sie erscheint. Eine relativ kleine Zahl ( bis hundert, bis tausend) erscheint deutlich und nicht nur als aufgereihte Ziffer, sondern auch mit einem spezifischen Gefühl, einer Art Vertrautheit, das lässt bei immer größer werdenden Zahlen dann nach. Derselbe Ausdruck beinhaltet verschiedenste Mengen.../ sowie er alles beinhaltet ist er selbst noch nichts und muss erst interpretiert(gefüllt) werden. Ich will sehen, was eine unterschiedliche Interpretation bedeutet und verschiedene Mengen, die durch ein Zentrum, einen Ausdruck miteinander verknüpft sind, einander gegenüberstellen. So lege ich wie eine Überschrift ein Ausdruck und darunter, verschiedene mögliche Interpretationen. Mit zehn als Basis, mit sechs als Basis und abwechselnd. Jede Interpretation lege ich in einer Zeile, einander entsprechenden Bereiche der verschiedenen Interpretationen untereinander. Als Materiallager, als "Urberge" dienten diesmal jeweils ungefähr gleich große Mengen, aufgeschüttet und zu einer Fläche geglättet ungefähr drei Steine stark, ich schöpfte jeweils aus der Mitte, den Rand stehenlassend, um den Mengenunterschied in greifbarer Weise zu hinterlassen.